Igor Strehl

Financial Market Expert


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Potenzial für Privatbanken: Private Wealth und Real Estate Finanzierung

Von Igor Strehl 
Investitionen in Immobilien erfreuen sich in Österreich großer Beliebtheit. Die am häufigsten verwendete Form ist die Finanzierung von Wohn- oder Gewerbeimmobilien mit Fremdkapital.[1] Allerdings schöpfen gerade Österreichs Privatbanken nicht das Potential aus, das Immobilienfinanzierungen bieten. Denn obwohl sie für ihre Privatkunden meist beträchtliche Summen an Vermögen verwalten, wenden sich die Kunden oft an verschiedene Banken, wenn es um Immobilienfinanzierung geht oder werden von ihrer "Hausbank" nicht immer ausreichend betreut.

Marktanalyse und Expertenausblick
Der österreichische Immobilienmarkt boomt seit Mitte der 2000er Jahre, die Transaktionen auf dem österreichischen Immobilienmarkt haben in den letzten Jahren stetig zugenommen (siehe Abb. 1),[2] die Immobilienpreise stiegen signifikant, insbesondere in Wien. Allein im Jahr 2020 verzeichneten die Immobilienpreise im Vergleich zum Vorjahr eine Preissteigerung von +5,2%[3] - eine Folge der demographischen Entwicklung sowie des starken Wachstums im Wohnungsbau.[4]

Abbildung 1 Entwicklung der Immobilientransaktionen in Österreich seit 2010 (Quelle: OeNB, Immobilien aktuell-Österreich Q4/19, 2019, S. 7).

Auch im Mehrjahresvergleich sind die Wachstumsraten des Immobiliensektors in Österreichs offensichtlich: Bis 2019 trugen Immobilieninvestments 10% zur gesamten Bruttowertschöpfung in Österreich bei.[5] 2019 brach jedoch alle bisherigen Rekorde: Mehr als 5,9 Milliarden Euro wurden in Immobilienvermögen investiert, das sind um +17% mehr als noch im Jahr 2017. Die beiden stärksten Anlageklassen sind Investitionen in Büro- und Wohnimmobilien. Hohe Aktivitäten gab es auch in den Bereichen Einzelhandel, Industrie & Logistik sowie Hotels.[6]

Abbildung 2 Bruttowertschöpfung in Österreich im Jahr 2019, % der Bruttowertschöpfung zu laufenden Preisen (Quelle:OeNB, Facts on Austria and Its Banks, March 2020, S. 9).

Abbildung 3 Investitionsvolumen Österreich nach Nutzungsart und Transaktionsanteil (CBRE, Real Estate Market Outlook Österreich, 2020, S. 10).

Der Run auf Immobilien spiegelt sich auch in der Kreditvergabe wieder. Die Kreditvergabe der Banken an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften hat in Österreich seit Mitte 2017 zugenommen. Im Jahr 2019 stiegen die Unternehmenskredite im Jahresvergleich um 6,2% und die Kredite an private Haushalte um 4,2%. Die wichtigsten Wachstumstreiber waren – richtig – Kredite an Investoren im Immobiliensektoren und Hypothekarkredite an private Haushalte.[7] 

Verschlafen die Privatbanken den Immo-Boom?
Derzeit setzen die meisten Privatbanken kein großes Augenmerk auf das Immobiliengeschäft für ihre Kunden oder behandeln das Thema nur rudimentär. Eine Ursache dafür ist die Sorge der Banken, dass beträchtliche Vermögenswerten von ihnen abfließen, wenn ihre Kunden in Immobilien investieren.[8]  Diese Befürchtungen sind jedoch unbegründet, wenn man das Ertragspotential berücksichtigt, das aus der Vergabe von Hypothekenkrediten resultieren kann. Gerade unter Berücksichtigung der Vermögensdiversifikation im Privat Wealth Bereich sind Immobilien in Österreich ein ungenutztes Potenzial für Privatbanken. Tatsächlich stellen Immobilien mittlerweile einen großen Teil des Privatvermögens von Private Wealth Kunden. Die Nachfrage nach Finanzierungen und Immobilien macht in den letzten Jahren einen immer größeren Anteil des gesamten Ertragspotentials mit vermögenden Privatpersonen aus.[9]

Finanzmarktexperten gehen davon aus, dass traditionelle aktive Anlagen zwar weiterhin den Kern der Finanzindustrie bilden werden, alternative Anlagen, wie z.B. Immobilienveranlagungen jedoch wesentlich schneller wachsen werden.[10]  Folglich könnte die Kombination von klassischen Private Wealth Services und Immobilienfinanzierungsgeschäft die wohl sinnvollste Variante für Vermögensaufbau und -verwaltung sein.

Zukünftige Herausforderungen
Systematische Risiken aus der Wohnraumfinanzierung sind in Österreich bisher begrenzt geblieben. Und genau diese Sicherung der Finanzstabilität in Österreich wird von entscheidender Bedeutung sein und die Entwicklung des Immobilienfinanzierungssektors nachhaltig beeinflussen. Dennoch ist auf dem österreichischen Immobilienmarkt aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 mit turbulenten Zeiten zu rechnen. Obwohl sich Österreich als bevorzugter Investitionsstandort herauskristallisiert hat und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut positioniert ist, wird sich die globale Gesundheitskrise kurz-, mittel- und langfristig auch auf die Immobilienpreise und Transaktionsvolumina in Österreich auswirken.[11]

Kombination von Vermögensdienstleistungen und Immobilienfinanzierung
Private Banking bietet Kunden anlageorientierte Beratung und geht auf die individuellen Bedürfnisse jedes Anlegers ein. Vermögensverwaltung heißt dabei nicht nur die Verwaltung von Portfolios, sondern auch das Erreichen von Zielen wie anlagebasiertes Wachstum, die Übertragung von Vermögenswerten an die nächste Generation oder manchmal auch philanthropische Bestrebungen.  Zu den Dienstleistungen im Rahmen von Private Wealth gehören Vermögensallokation und -strukturierung, Steuerplanung, Nachlassplanung, Philanthropie, Familienarbitrage sowie die Ansiedlung von Familien und der mit ihnen verbundenen Unternehmen. Während jedoch Investitionen in Immobilien - direkt oder indirekt über Wertpapiere - oft auf der Agenda stehen, wird die Finanzierung (einschließlich Hypothekarkredite) selten als kombiniertes Dienstleistungsangebot gesehen. Viele Privatbanken stehen dem eigentlichen Prozess der Immobilien- und Hypothekarkreditvergabe eher zurückhaltend gegenüber. Folglich bleiben die meisten Vermögensverwalter auf dem österreichischen Privatbankenmarkt im Kreditgeschäft tätig. 

Fazit und Ausblick
Immobiliendienstleistungen sind definitiv ein wichtiges und wachsendes Anlagefeld für Privatkunden. Privatbanken müssen ihr Dienstleistungsangebot im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden anpassen. Tatsächlich scheint ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Dienstleistungsanforderungen der Kunden - insbesondere im Immobilienbereich - berücksichtigt, eine ungenutzte Chance zu sein. Anstatt sich ausschließlich auf das von der Privatbank verwaltete Vermögen zu konzentrieren, sollte die Bank auch die allgemeine Vermögenssituation des Kunden evaluieren, einschließlich des Immobilienvermögens und der Bankbeziehungen des Kunden zu anderen Kreditinstituten. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Vermögensklassen berücksichtigt, wird nicht nur für den Kunden selbst, sondern auch für die Privatbank größere Vorteile bringen.

Die Kombination von privaten Vermögensdienstleistungen mit der Finanzierung von Immobilien könnte in Zukunft einer der vielversprechendsten Wachstumsbereiche für Privatbanken sein.

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Igor Strehl verfügt über langjährige Erfahrung im Finanzsektor und kann auf eine erfolgreiche Bankenkarriere zurückblicken. Seit seinem Start in der Commerzbank 1993, hat er in mehreren Banken in Deutschland und Österreich Top-Positionen als Vorstand und CEO bekleidet, darunter die Commerzbank (1998-2007), die VTB-Gruppe (2007-2013), die Sberbank Europe AG (2013-2016) und bis 2017 die Expobank. Derzeit ist Igor Strehl Eigentümer und Vorsitzender des Aufsichtsrats der österreichischen Wertpapierfirma FAME Investments AG. Zusätzlich ist er Gründer der Dunaj Consulting GmbH und berät u.a. das britische Investmentunternehmen Sova Capital bei seinen Wachstumsplänen sowie bei den durch den Brexit entstehenden Herausforderungen.

 

[1] https://www.lexisnexis.com/uk/lexispsl/bankingandfinance/document/391289/5CYK-0301-F185-X0HD-00000-00/Real-estate-finance_overview.

[2] OeNB, Immobilien aktuell-Österreich Q4/19, 2019, S. 6-7.

[3] OeNB, Immobilien aktuell-Österreich Q3/20, 2020, S. 5.

[4] OeNB, Facts on Austria and Its Banks, March 2020, S. 10.

[5] OeNB, Facts on Austria and Its Banks, March 2020, S. 9.

[6] CBRE, Real Estate Market Outlook Österreich, 2020, S. 10.

[7] OeNB, Facts on Austria and Its Banks, March 2020, S. 6, 7.

[8] Gramann (2017), S. 28.

[9] https://bankinghub.de/banking/research-markets/private-banking-oesterreich-2018.

[10] HSBC, The Rise of Alternatives, 2017, S. 4.

[11] CBRE, Immobilienmarkt Österreich – Mid Year Review H1 2020, 2020.